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    Bauernhaus M1: wie aus einem Bauernhaus ein komfortables Wohnhaus wurde

    Das Bauernhaus M1 entstand als umbau eines traditionellen Bauernhofes aus dem 18. Jahrhundert zu einem komfortablen Wohnhaus. Im Vordergrund der Planung standen einerseits der Dialog alter und neuer Elemente und andererseits das räumliche Wechselspiel zwischen Haus und Hof sowie den unterschiedlichen vorhandenen Ebenen. Das Umbau- und Renovierungsprojekt wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

    1. Vom Bauernhaus zum modernen Wohnhaus

    Der Wunsch der Bauherrenschaft war es, ein bestehendes, kleines Bauernhaus, das an der Hauptstrasse im idyllischen Jois am Neusiedler See im österreichischen Burgenland liegt, zu einem komfortablen Wohnhaus umzubauen, erweitert durch eine grosszügige Scheune. Mit der Aufgabe wurde das Architekturbüro cp architektur aus Wien betraut, das sich neben der klassischen Architektur auch mit Ausstellungsgestaltung und Interiordesign beschäftigt. „Wir suchen nach Lösungen, die den individuellen Wünschen der AuftraggeberInnen (Bauherrn) gerecht werden“, sagt Architekt Christian Prasser, cp architektur. Ziel des Büros ist es, für die unterschiedlichen inhaltlichen Aufgabenstellungen bestmögliche Antworten zu finden. „Unsere Arbeit beinhaltet diverse Kommunikationsebenen eines Projekts: Beginnend mit der konzeptionellen Ebene erarbeiten wir von der Architektur bis zum graphic design ein einheitliches Erscheinungsbild für unsere AuftraggeberInnen.“, so der Architekt.

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    In der Gestaltung der Oberflächen hat cp architektur gezielt jene alten Materialien erhalten, die noch gut konserviert waren, wie z. B. eine Tramdecke in der ehemaligen Küche, dem jetzigen Gästezimmer im Stadl. (Foto: Philipp Kreidl)

    2. Bauernhaus M1

    Die ursprüngliche Bauform war ein typisch burgenländischer Streckhof aus dem 18. Jahrhundert. Wie in burgenländischen Strassendörfern üblich, erstreckt sich das schmale Haus von der Hauptstrasse weg längs nach hinten zum Garten, parallel dazu liegt ein etwa 4 m breiter Grünstreifen, der zum Nachbarn und zur Strasse hin durch uneinsichtige Mauern begrenzt ist und nach hinten von einer Scheune abgeschlossen wird.

    Das Wohnhaus wird damit von vorne Raum für Raum erschlossen, wobei Wohnzimmer und Küche in den hinteren Hausteil verlegt wurden, wo zwischen Scheune und Terrasse das Zentrum des sommerlichen Familienlebens liegt. Bedingt durch das ansteigende Grundstück bzw. unterschiedlicher Unterkellerungen verfügen die Räume im Erdgeschoss über verschieden hohe Bodenniveaus. Das ergibt beim Durchschreiten des Hauses ein Treppauf und Treppab – die Funktionen der unterschiedlichen Wohnräume werden intuitiv erfasst. Selbst der einstige Weinkeller wurde von der Küche aus mittels einer horizontalen flächenbündigen Türe im Boden in die Raumstruktur eingebunden.

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    Wohnzimmer und Küche wurden in den hinteren Hausteil verlegt, wo zwischen Scheune und Terrasse das Zentrum des sommerlichen Familienlebens liegt. (Foto: Philipp Kreidl)

    Das einzig vertikale Element dieser horizontal ausgerichteten Baustruktur – der Kamin der ehemaligen Rauchkuchl – wurde erweitert, um darin eine Wendeltreppe zu errichten, die im Dachstuhl eine zweite Ebene mit Schlafzimmern und Bädern erschliesst. Bewusst freigelassen wurde der Luftraum über der Küche und dem Wohnzimmer, die dadurch besonders grosszügig wirken. Gleichzeitig ermöglicht der offene Dachstuhl eine Belüftung des Hauses an der höchsten Stelle und verhindert so eine Überhitzung an heissen Tagen.

    In der Gestaltung der Oberflächen hat cp architektur gezielt jene alten Materialien erhalten, die noch gut konserviert waren, wie z. B. eine Tramdecke in der ehemaligen Küche, dem jetzigen Gästezimmer. Auch die alten Dachträger im Luftraum von Küche und Wohnzimmer wurden in die moderne Gestaltung integriert. Die neuen Bauelemente wie Fenster, Türen, Bodenbelege sowie Möbel wurden in Eichenholz gehalten, um das Zusammenspiel von Alt und Neu möglichst harmonisch zu gestalten.

    Gegenüber dem Wohnhaus befindet sich im hinteren Teil des Gartens eine – auf den ersten Blick – traditionelle Scheune mit sägerauen Lärchenbrettern mit offener Fuge. Auf den zweiten Blick irritiert eine schwarze, aus der Scheune kragende Box das Auge des Betrachters und erst beim genaueren Hinschauen wird deutlich, dass die Scheune über die gesamte Front geöffnet werden kann. Der Innenraum wird zum Aussenraum, gegenüber dem Wohnhaus öffnet sich die Scheune mit einem Gästebereich sowie einem Freizeitbereich mit einem innenliegenden Pool.

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    Der Luftraum über der Küche und dem Wohnzimmer wurde bewusst freigelassen, wodurch die Räume besonders grosszügig wirken. (Foto: Philipp Kreidl)

    Gestaltungsidee für die Scheune war es, den Baukörper bis auf seine Steinmauern und den alten Dachstuhl komplett zu entkernen und einen modernen Holzquader mit schwebender Anmutung in den alten Dachstuhl zu platzieren. Der moderne, minimalistische Quader ist in Riegelbauweise ausgeführt. Aussen ist er mit anthrazitfarbenen Dreischichtplatten in Lärche verkleidet, innen mit Kistensperrholz ausgebaut. Dabei wird das Gebälk des alten Dachstuhls bewusst den modernen Wandscheiben vorgesetzt, um so den Kontrast zwischen Neu und Alt zu betonen. Jeweils eine Wandscheibe ist in Glas ausgeführt, wodurch das Fenster wie ein Diorama den Blick in die alte Scheune bzw. über den Garten zurück zum Haupthaus freigibt.

    Da Boden, Wand und Decke mit der Flader der Oregonkiefer (Kistensperrholz) gestaltet sind, erhalten die Innenräume eine japanische Anmutung, die durch die minimalistische Möblierung noch betont wird. 10 % des Kaltdachs der Scheune wurde mit Glasdachziegeln neu gedeckt, die untertags das Sonnenlicht punktuell einlassen, was zu interessanten Lichtspielen führt. Abends wird das Licht von der Wasserfläche in den Dachstuhl reflektiert und führt dort zu faszinierenden Lichteffekten.

    Energietechnisch ist das Gebäudeensemble mit einer Luftwasserwärmepumpe ausgestattet. Dabei werden die Wohnräume mittels einer Fussbodenheizung beheizt. Zusätzlich wurde im grossen Wohnraum eine Brennzelle mit einem Wirkungsgrad von 80 % (NH 7.0 KW) eingeplant.

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    Auch die alten Dachträger im Luftraum von Küche und Wohnzimmer wurden in die moderne Gestaltung integriert. (Foto: Philipp Kreidl)

    3. Renovierung mit Auszeichnung

    Insgesamt zeigt die Renovierung eine hohe räumliche Qualität unter Einbeziehung der Bestandsstruktur, wie etwa der Holzkonstruktionen und der jetzt als Treppenraum genutzten ehemaligen Rauchkuchl. Die reduzierte Materialität prägt das Raumgefüge, der Neubau bietet als „Haus-im-Haus-Konzept“ zusätzlichen Platz für Gäste in einem durch die Tageslichtführung besonderen Raum. Sowohl die Materialwahl als auch die handwerkliche Ausführung sind in allen Bereichen hervorhebenswert. Daher überrascht es nicht, dass das Projekt mit mehreren Preisen gewürdigt wurde:

    • 2018 Architekturpreis des Landes Burgenland 2018, 1. Preis
    • 2018 Das beste Haus. Architekturpreis 2018, Nominierung für Burgenland
    • 2017 best architects 18 award, Auszeichnung Kategorie Wohnungsbau/Einfamilienhäuser
    • 2016 Holzbaupreis Burgenland 2016, 1. Preis Kategorie Revitalisierung und Sanierung

    Projekt:

    Bauherrenschaft: Privat 
    Standort: Jois, Burgenland, Österreich
    Planungsbeginn: 09/2013 
    Baubeginn: 03/2014 
    Fertigstellung: 06/2015 
    Nutzfläche: Haus: 187 m², Stadl: 144 m² 
    Grundstück: 719 m²  
    Architektur: Mag. arch. Christian Prasser, cp architektur
    Projektleitung: Bianca Medem, cp architektur 
    Mitarbeit: Alexander Bader, cp architektur
    Fotografie: Philipp Kreidl

    Pläne

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    Bauernhaus M1, Grundriss Haus EG und Stadl. (Pläne: cp architektur)
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    Bauernhaus M1, Schnitt Haus. (Pläne: cp architektur)
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    Bauernhaus M1, Längsschnitt Stadl. (Pläne: cp architektur)
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    Bauernhaus M1, Querschnitt Stadl. (Pläne: cp architektur)

    Galerie

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    Stadl, Aussenansicht. (Foto: Philipp Kreidl)
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    Stadl, Innenansicht. (Foto: Philipp Kreidl)
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    Der Eingangsbereich des Hauses. (Foto: Philipp Kreidl)
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    Die Bibliothek im Haus. (Foto: Philipp Kreidl)

    * Titelfoto: Bauernhaus M1. Quelle: Philipp Kreidl

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    Autor: Daibau.ch Magazin

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