1. ORT und KONZEPT
Die alte Hofstelle des Locknbauers liegt in einer landschaftlich reizvollen Situation auf einer Geländekuppe im Südosten der österreichischen Steiermark. Über das hügelige Vulkanland reicht der Ausblick bis über die Grenze nach Slowenien. Im Norden liegt das malerische Dorf Sankt Anna am Aigen. Auf dem von Weinbergen umgebenen Grundstück sollte für einen jungen Winzer ein Betriebsgebäude zur Produktion sowie ein Ort für die Verkostung seines Weines mit einem traditionellen Buschenschank entstehen.
Das alte Hofensemble bestand aus einem südöstlich ausgerichteten, lang gestreckten Wirtschaftsgebäude, einem Wohnhaus und einer Scheune. Die räumliche Qualität und den Charakter der vorgefundenen Anlage zu erhalten war der Leitgedanke des Entwurfs. Diesem folgt die Einbindung der neuen Hofstelle in den landschaftlichen und topographischen Kontext sowie auch der Bezug zur regionalen Bautradition.
In diesem Sinne ist das Haupthaus eine Interpretation des ehemaligen Langhofgebäudes, welches zum grössten Teil abgetragen werden musste. Das neue Wirtschaftsgebäude vereint Produktion, Vermarktung und Verkostung des Weins unter einem Dach und ermöglicht dem Winzer eine autarke Bewirtschaftung. Gegenüber dem längsseitigen, geschützten Vorplatz wurde das Ensemble durch ein Nebengebäude mit Garage und Heizhaus ergänzt. Im Zwischenraum der Gebäude spannt sich ein Werkhof auf, welcher mit einer Sandsteinmauer zum Weingarten hin nun von drei Seiten gefasst wird.
Die Architektur greift auf spielerische Weise traditionelle und regionale Elemente auf und übersetzt diese in eine neue Sprache. So lassen bestimmte Oberflächen, der neu interpretierte Dachstuhl oder das archetypische, einseitig auskragende Vordach das klassische „Stadl“ in neuem Licht erscheinen. Das Projekt wurde sowohl mit dem GerambRose 2022 als auch mit dem österreichischen Bauherrenpreis 2022 gewürdigt.
2. STRUKTUR und ERSCHLIESSUNG
Von dem alten Bauernhof blieb ein massiver Ziegelkorpus mit Gewölbedecke erhalten. Der ehemalige Kuhstall wird zum Fasslager umgestaltet und bildet den Übergang zwischen dem vorderen, öffentlichen und dem hinteren Produktionsbereich. Von aussen verschmilzt Alt und Neu zu einem massiven Sockelgeschoss - lediglich die klassischen Stallfenster deuten auf den historischen Bestand hin. Im Inneren präsentiert sich die alte Struktur als das Herzstück des neuen Gebäudes. Die Komponenten werden unter einem offenen Holztragwerk zusammengefasst.
Der Eingang zur Vinothek wurde auf die Nordseite des Gebäudes gelegt. Beim Eintreten öffnet sich ein hoher Raum mit Sichtbezügen in drei Richtungen. Die alte Ziegelwand mit Sandsteinsockel ist das Zentrum des Raumes, doch auch der monolithische Tresen aus Ortbeton ist eine Besonderheit. Durch ein grosszügiges Faltportal wird ein fliessender Übergang zwischen Innen und Aussenbereich hergestellt.
Von dem Gastraum führt eine offene Treppe über einen schmalen, introvertierten Galeriebereich in den Verkostraum. Hier bietet eine offene Showküche Möglichkeiten für Veranstaltungen. Durch die grosse Dachverglasung fällt der Blick auf die Kirchtürme von Sankt Anna, während ein inneres Schaufenster einen Einblick in Produktion und den Weinkeller gewährt. So entsteht ein unmittelbarer Bezug von dem Produkt zu seiner Herstellung.
Der Gastbereich ist ein offenes Raumgefüge, das unterschiedlichste Situationen schafft und nuancierte Atmosphären entstehen lässt. Einzelne Bereiche können getrennt voneinander genutzt werden, bilden aber doch eine Einheit.
3. KONSTRUKTION und MATERIAL
Wie regional für diese Gebäudetypologie üblich, handelt es sich bei dem Weinhof um eine Mischkonstruktion aus Massiv- und Holzbau. Das Erdgeschoss ist im vorderen, beheizten Bereich gemauert. In dem hinteren Gebäudeteil, der der Produktion und Verarbeitung dient, wird roher Sichtbeton verwendet. Von aussen sind die Wände weiss verputzt und schliessen mit einem Sockel aus gestocktem Beton ab, der sich an den des Bestandskörpers anschliesst.
Auf dem massiven Sockelgeschoss ist das Holztragwerk in offener Bauweise errichtet. Zehn Träger mit gekreuzten Zugstäben spannen sich über die Länge des Gebäudes. Ihr Rhythmus gliedert sowohl den Innenraum als auch die äussere Erscheinung. Der obere Gebäudeteil ist mit einer feinen Lamellenfassade aus heimischer Lärche verkleidet. Sie filtert die Blicke und schafft ein ruhiges und dennoch differenziertes Erscheinungsbild über die gesamte Gebäudelänge.
Der Innenraum setzt auf die räumliche Kraft der klaren Konstruktion in Verbindung mit einfachen Materialien und handwerklichen Details. Während das Erdgeschoss, je nach räumlicher Erfordernis, von robusten Oberflächen, rohem Mauerwerk und Sichtbeton geprägt ist, wurde der obere Teil des Gebäudes entsprechend seiner Konstruktionsweise ganz in Holz eingekleidet. Die Atmosphäre hier ist ganz von dem hellen, ruhigen Ton der Weisstanne geprägt.
Die Gebäudetechnik setzt mit einer Hackschnitzelheizung, Regenwasserspeicher und einer auf dem Nebengebäude installierten Photovoltaikanlage auf regenerative Energien und ermöglicht einen annähernd autarken Betrieb.
Die Architektur schafft eine Balance zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen formaler Zurückhaltung und einem aussergewöhnlichen Raumerlebnis. Die Verwendung von nachhaltigen, unbehandelten und regional typischen Materialien in Innen- und Aussenraum, aber auch die Vielschichtigkeit und Transparenz der Erscheinung entsprechen der Philosophie des Winzers. Er spürt dem komplexen Zusammenspiel von Klima, Boden und Landschaft nach, dem sogenannten Terroir. Die Verbindung der ganz spezifischen Gegebenheiten mit Jahrtausenden alten, aber auch hochmodernen Kulturtechniken machen den Wein wie auch die Architektur zu einer sinnlichen, mit dem Ort verbundenen Erfahrung.
Projekt: |
Name des Projektes: Weinhof Locknbauer |
Architektur, Interieur, Aussengestaltung: Mascha Ritter |
Bauherr: Lukas Jahn |
Fotografie: David Schreyer |
Planungsjahr: 2018-2019 |
Ausführungsjahr: 2021-2022 |
Gebäudegrösse: 454 m2 (Wirtschaftsgebäude) |
Stockwerke: 2 |
Grundstücksgrösse: 25.040m2 |
Pläne
Galerie
* Titelfoto: Weinhof Locknbauer. Quelle: David Schreyer