Im Beitrag:
1. Erziehungsschnitt: Schnittmassnahmen in der Baumjugend
Bäume in der Kulturlandschaft müssen normalerweise bestimmte, vom Menschen vorgegebene Aufgaben erfüllen. Strassenbäume sollen Fussgängerwege beschatten und das Stadtbild optisch aufwerten, Obstbäume sollen möglichst lange und so reichlich wie möglich hochwertiges Obst liefern, während sich Zierbäume in Gärten und Parks den gestalterischen und künstlerischen Ideen ihrer Besitzer fügen müssen. Dadurch unterscheiden sich Bäume in der Kulturlandschaft von ihren Cousins in der freien Natur, die ihr Wachstum einfach nur den Lebensbedingungen am jeweiligen Standort anpassen müssen.
Um die Entwicklung eines Baumes in die richtigen Bahnen zu lenken, sodass er die für ihn vorgesehene Aufgabe optimal erfüllen kann, müssen bereits in seinen jungen Jahren gezielte Schnittmassnahmen vorgenommen werden. Im Jugendstadium des Baumes sind die Äste und Zweige nämlich noch dünn und biegsam genug, damit der Erziehungs- bzw. Aufbauschnitt zum gewünschten Ergebnis führt.
2. Erziehungsschnitt bei Obstbäumen
Die Krone eines Obstbaums braucht viel Luft und Licht, damit der Baum gesund bleiben und viele Früchte ansetzen und reifen lassen kann. Um dies zu erreichen, muss in Jugendstadium der Pflanze ein Erziehungsschnitt durchgeführt werden, der auf die gewünschte Form der Baumkrone abzielt. Das Ziel ist es, das Wachstum eines kräftigen Kronengerüstes mit zahlreichen, gut belichteten Fruchtästen zu fördern. Fachgerechter Erziehungsschnitt wird jährlich durchgeführt, solange der Obstbaum noch jung ist und keine Früchte trägt. Bei den meisten Obstbaumarten ist dies ungefähr zwischen dem fünften und dem achten Jahr nach der Pflanzung der Fall. Danach wird der Erziehungsschnitt durch den Erhaltungsschnitt abgelöst. Unerfahrene Hobbygärtner machen oft den Fehler, den Baum erst über längere Zeit ungehindert wachsen zu lassen und ihn dann stark zurückzuschneiden, wodurch sie die Pflanze unabsichtlich schwächen.
3. Der optimale Zeitpunkt für den Baumschnitt
Beim Beschneiden von Bäumen sind die Besonderheiten der jeweiligen Baumart zu beachten, weshalb der beste Schnittzeitpunkt je nach Baumart unterschiedlich ist. Oft hört man, dass die Zeit zwischen November und Anfang April für den Erziehungsschnitt am besten geeignet sei, weil die Gehölze dann noch in der Saftruhe sind. Inzwischen gibt aber eine wachsende Anzahl von Experten dem Sommerschnitt den Vorzug, weil die Schnittwunden an den Bäumen besser verheilen. Bei Obstbäumen hat man beim Winterschnitt den Vorteil, dass man den Kronenaufbau besser beurteilen kann als in belaubtem Zustand. Dadurch kann man besser erkennen, welche Äste und Zweige entfernt werden müssen. Andererseits kann man sich beim Einschätzen der Kronendichte im laublosen Zustand schnell verschätzen und folglich zu viel Geäst entfernen. Wenden Sie sich deshalb an einen erfahrenen Baumpflegeexperten mit den erforderlichen Fachkenntnissen.
4. Ablauf des Erziehungsschnitts
Jeder Baumschnitt erfordert das richtige Know-how. Dies trifft ganz besonders auf den Erziehungsschnitt zu, da mit diesem das Wachstum bereits in einer frühen Phase gesteuert wird. Beim Baumschnitt muss man ganz genau wissen, welche Äste man opfert, damit man dem Baum nicht die wichtigen Äste nimmt. Man wählt jene Triebe aus, die sich kräftig entwickeln und später Früchte tragen sollen: Diese sog. Leittriebe kürzt man ein, damit sie über die ganze Länge gut verteilte Seitentriebe bilden. Schlecht platzierte Seitentriebe (Konkurrenztriebe, Zwiesel) schneidet man am Astring ab. Die übriggebliebenen Äste entwickeln sich dadurch kräftiger, sodass eine stabile und lichte Krone entsteht.
Die Schnitttechnik richtet sich nach der Baumart und dem Gehölztyp. Von der Stärke des Schnitts hängt das weitere Wuchsverhalten des Baumes ab. Wenn alle Triebe stark gekürzt werden, bildet der Baum anschliessend wenige lange Neutriebe. Wenn man jedoch die Äste nur leicht stutzt, treiben sie an mehreren Stellen neu aus, wobei alle Seitenzweige relativ kurz bleiben.
Im Obstbau sind verschiedene Wuchsformen wie Spindel-, Dreiast- oder Y-Form üblich. Besonders bewährt hat sich bei Obstbäumen die Pyramidenkrone. Diese Kronenform kommt der natürlichen Form der meisten Obstbäume am nächsten und ist deshalb vergleichsweise leicht umzusetzen. Zudem garantiert die von oben nach unten breiter werdende Kronenstruktur eine optimale Lichtausbeute für die Früchte, wodurch sie für reiche Erträge sorgt. Auf jeden Fall muss man aber dem Baum dabei helfen, eine gesunde und artgerechte Krone mit einer stabilen Kronenstruktur aufzubauen.
Zudem muss man darauf achten, alle Seitenäste auf gleicher Höhe zu kürzen usw. Deshalb raten wir auch enthusiastischen Hobbygärtnern dazu, ihre Bäume von professionellen Gärtnern beschneiden zu lassen, damit sie nicht unbeabsichtigt irreparable Schäden am Gehölz anrichten.
5. Nach dem Erziehungsschnitt
Der Erziehungsschnitt bildet die Grundlage für spätere Pflegeschnitte. Etwa alle zwei bis drei Jahre wird ein Erhaltungsschnitt durchgeführt, bei dem einige Zweige und Äste entfernt werden, um die voll ausgebildete Baumkrone licht- und luftdurchlässig zu halten. Bei Obstbäumen wird auch ein Auslichtungsschnitt durchgeführt, bei dem kranke, schwache, abgestorbene oder zu dichte Triebe herausgeschnitten werden. Dadurch wird die Krone ausgelichtet, sodass alle Früchte ausreichend Sonne abbekommen. Beim Verjüngungsschnitt werden alte Triebe entfernt, die ohnehin keine Früchte mehr tragen.